Samstag, 5. Dezember 2009

Robert Enke und das Facebook-Paradoxon


Der einzige Grund warum ich morgens, nachdem ich die Augen aufgeschlagen habe tatsächlich auch aufstehe und mich einem neuen Tag in der Hölle stelle, in der Glück nur marginal existiert und Drogen eine Lösung sind, ist, neben dem starken Harndrang den ich oftmals verspüre, der Glaube, dass irgendetwas Außergewöhnliches passieren könnte, was meine von Masochismus gezeichneten Interessen befriedigt. Der 11. September war solch ein Ereignis des Glücks, genauso wie der Suizid Robert Enkes.
Ich will ehrlich mit dem Leser, dem Freund einer intellektuell dargestellten, gut fundierten, aber auch perversen These sein und hiermit bekannt geben: Solche Nachrichten = Freude!

Der Tod Enkes bestätigt nämlich meine Theorie: Studi-Vz und Facebook Status Msgs = Antirealität!
Niederlagen, Depressionen und Tage, an denen alles schiefgeht, also das, was ich als Alltag bezeichne, gibt es in dem Land der ewigen Sonne, den Netzwerken mit 1000+ Freunde nämlich nicht. Denn 95% aller Status-Nachrichten bei Gesichtsbuch oder SelbstdarstellerVZ beinhalten die Erfolge, die Siege, die absolut von Geilheit des Einzelnen durchsetzten Individualaktionen der Poster, die klar machen, dass dieser > Leben!
ICH HABE NÄMLICH NOCH NIE eine Status-Msg einer Frau gelesen, in der stand: "Bin deprimiert, weil [insert marginal emotional reason here]", obwohl dies häufig der Fall sein müsste

Statt dessen lese ich sowas hier (Posts innerhalb der letzten 5h):
1. "Wenn ich scheiße gemacht hab, gibts geschenke :D "
(Anmerkung des Autors: Der Spruch ist epic fail, ergo zu arm zum kommentieren)
2. "Hui sollte ich das Angebot von Mitsubishi annehmen?"
(Anmerkung des Autors: Wenn du posen willst, mach es direkt und nicht indirekt, dass zeigt wenigstens, dass man zu seiner Shice-Attitude steht, etwas, das ich bewundere)
3. "@ XXX: Das kommt weil ich geil bin ;)"
(Anmerkung des Autors: Chatte per ICQ, nicht per Statusnachricht, Bitch! Darüber hinaus bist du nicht geil, nicht mal Semi-geil, "dick und hässlich" trifft es eher.)
4. "Aus Berlin zurück"
(Anmerkung des Autors: Ich kenn dich: DU HAST KEIN RL! Tu nicht so)
5. "Und gleich das nächster Paper schreiben, diesmal wenigstens nicht auf Englisch"
(Anmerkung des Autors: Ich schreibe Papers auf Japanisch und spamme nicht per Msg-> OWNED! *Hier Schimpfwörter euer Wahl einsetzen*)

Daher sage ich: Antirealität! Dieses Post-pubertäre Attention-Whoring zeugt eher von einem verdrehten Selbstbild, als von einer zu beneidenen Lebensform. Und auch wenn ich mir dessen stets bewusst bin, falle ich, durchsetzt von Selbstzweifeln, ach so oft wieder auf diese Msgs herein, und denke mir, dass die Differenz zwischen meiner Welt Namens Mordor und der dieser Glücksbärchis auf Speed riesig sein muss.

UND DANN KAM ENKE!
Enke machte mir klar: Leid ist überall, selbst da, wo man es nicht erwartet! Jeder leidet, ungeachtet der Tatsache, wie perfekt das Leben eigentlich laufen kann.

Diese Status-Msgs sind folglich also ein Geisel unserer Zeit. Sie spiegeln ein Bild der Medien wieder, ein Bild, einer Gesellschaft wie sie sein sollte und darf. Erfolg, Anspannung, Freude, Kampf, Emotionen und Tränen werden gezeigt, aber NIEMALS die Selbstzweifel, das Leid in seiner höchsten Form und das Individuum durchsetzt von Einsamkeit und Depressionen!
Ich nenne es das Facebook-Paradoxon! Paradoxon deshalb, weil je armseeliger das eigene Leben, desto wahrscheinlicher ist das Spammen und Suggerieren von Erfolg in Status-Msgs. Hierfür gibt es keine fundierte Emperie, dafür aber den von mir entworfenen Graphen, welcher mich gerechtfertigterweise wieder als Übermenschen darstellt!

Und so ende ich diesen von dem buddhistisch-transzendentalen Gedankengut durchsetzten Leidartikel mit den Worten: Ich mag es Leute Leiden zu sehen, da es die Welt so darstellt, wie sie ist und nicht wie sie sein sollte.

Spunsh

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